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Getriebefan: Die nächsten Generation

Für das nächste Jahrzehnt soll der Antrieb der Airbus A320neo noch sparsamer werden. Um dies zu gewährleisten, befinden sich schon jetzt zwei Schlüsselkomponenten des Getriebefans in der Testphase bei der MTU Aero Engines.

11.2016 | Autor: Patrick Hoeveler | 5 Min. Lesezeit

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Patrick Hoeveler beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist mit Luft- und Raumfahrtthemen.

High-Tech als Suchspiel: Zwischen all den Kabeln, Lei­tungen und Auf­bauten ist die neueste Er­rungen­schaft der Partner MTU Aero Engines und Pratt & Whitney nicht leicht aus­zumachen. Auf dem Prüf­stand der deutschen Trieb­werks­firma in München wird das Herz der nächsten Generation der Getriebe­fan-Familie erprobt. Rund 1.300 Mess­stellen erfassen die ver­schie­densten Parameter des Hoch­druck­ver­dichters. Trotz des hohen Auf­wands können die Ingenieure nicht auf solche so­ge­nann­ten „Rigs“ verzichten und testen – gefördert vom Luft­fahrt­forschungs­pro­gramm (LuFo) des Bundes­minis­teriums für Wirt­schaft und Energie - in diesem Jahr sogar zwei ver­schie­dene Trieb­werks­kom­ponenten. „Diese Rigs sind ein fester Bestand­teil unseres Tech­nologie­pro­zesses und dienen dem Nach­weis, dass Neuerungen unter den ent­sprech­enden Rand­be­dingungen bestehen. Damit bereiten wir die nächste Welle von Tech­nologien vor“, erklärt Dr. Stefan Weber, Leiter Tech­nologie und Vor­auslegung bei der MTU. Schließ­lich sieht das Unter­nehmen solche Versuche alle vier bis fünf Jahre für seine beiden Schlüs­sel­komponenten Ver­dichter und Nieder­druck­turbine vor.

Hintergrund Rig

Das englische Wort Rig bezeichnet allgemein eine Vorrichtung oder Anlage. In der Rockmusik gehört beispielsweise zum Rig eines Gitarristen alles von den Gitarren über Verstärker, Pedalboard und Kabel bis zum Plektron.

In der Technik steht Rig für eine Versuchseinrichtung oder Versuchsanordnung, speziell im Triebwerksbau für ein originalgroßes lauffähiges Versuchsmodul.

Im konkreten Fall stehen Weiter­ent­wicklungen des Getriebe­fans PW1100G-JM im Mittel­punkt. Um den techno­logischen Vor­sprung des erst vor kurzem in Dienst gestellten An­triebs der Airbus A320neo lang­fristig ab­zusichern, soll der Treib­stoff­ver­brauch weiter reduziert werden. Einen wesent­lichen Beitrag leisten dazu der ge­mein­sam mit Pratt & Whitney ent­wickelte Hoch­druck­ver­dichter und die schnell­laufende Nieder­druck­turbine der MTU. Keine leichte Aufgabe, denn beide Komponenten weisen bereits einen sehr hohen Wirkungs­grad auf, was für den Ver­brauch entscheidend ist. „Das erfordert ein be­harr­liches Arbeiten an vielen einzelnen Themen, um die not­wendigen weiteren Fort­schritte zu erzielen“, erläutert Dr. Gerhard Kahl, Projekt­leiter Verdichter-Rig 268. Da die Ver­dichter­komponenten geo­metrisch in das Basis­trieb­werk passen müssen, bleibt die Anzahl der Stufen gleich. Dafür stehen die Opti­mierung der Schaufel­profile und die Re­du­zierung von parasitären Verlusten im Fokus. So nennen die Techniker uner­wünschte Phänomene im Strömungs­pfad wie Leckagen oder Spalte zwischen drehenden und statischen Teilen. Auf der Suche nach Poten­zialen profitieren die Ingenieure von immer aus­ge­feil­teren Aus­legungs­ver­fahren. Dabei darf das ge­misch­te Team von der MTU und Pratt & Whitney natürlich nicht die Betriebs­stabilität des Ver­dichters außer Acht lassen. Während der Versuche analy­sieren die Spezialisten nicht nur die Aero­dynamik, sondern halten auch Tempera­turen, Spalte, Schwingungen und vieles mehr fest.

Claire Die Technologie-Agenda der MTU zeigt, welche Wirkungsgradverbesserungen bei künftigen Antrieben im Vergleich zum V2500 bis 2050 erzielt werden sollen.

(strich:Ready for testing) Das Verdichter-Rig 268 wird für den Prüflauf bei der MTU Aero Engines in München vorbereitet. Getestet werden damit Weiterentwicklungen für das A320neo-Triebwerk PW1100G-JM. Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Ready for testing Das Verdichter-Rig 268 wird für den Prüflauf bei der MTU Aero Engines in München vorbereitet. Getestet werden damit Weiterentwicklungen für das A320neo-Triebwerk PW1100G-JM.

Ready for testing Das Verdichter-Rig 268 wird für den Prüflauf bei der MTU Aero Engines in München vorbereitet. Getestet werden damit Weiterentwicklungen für das A320neo-Triebwerk PW1100G-JM.

(strich:Fazit) Rigs tragen zum Erfolg eines Triebwerks bei. Eines der erfolgreichsten Programme derzeit ist der A320neo-Antrieb PW1100G-JM, hier auf dem Weg zum Prüfstand. Fahren Sie über das Bild für eine größere Ansicht

Fazit Rigs tragen zum Erfolg eines Triebwerks bei. Eines der erfolgreichsten Programme derzeit ist der A320neo-Antrieb PW1100G-JM, hier auf dem Weg zum Prüfstand.

Fazit Rigs tragen zum Erfolg eines Triebwerks bei. Eines der erfolgreichsten Programme derzeit ist der A320neo-Antrieb PW1100G-JM, hier auf dem Weg zum Prüfstand.

Link: Turbinen im Test

Turbinen im Test

Der "Höhenprüfstand" der Universität Stuttgart erlaubt es Turbinen und andere Triebwerkskomponenten unter realen Reiseflugbedingungen zu testen.

Der Antrieb des Verdichters auf dem Prüf­stand erfolgt über Elektro­mo­toren mit einer Gesamt­leistung von 16 Mega­watt - etwa so viel wie 18 Formel1-Renn­wagen. Am Ende wird die ver­dichtete Luft über eine Dros­sel wieder auf atmo­sphär­ischen Druck ge­bracht und über einen Abgas­kamin aus­geleitet. „Montage und Er­probung sind Fähig­keiten der MTU, die wir uns über viele Jahr­zehnte im Test­betrieb erarbeitet haben. So können wir die Auf­gaben zuver­lässig lösen“, meint Kahl. Bis Jahres­ende stehen rund 140 Stunden auf dem Pro­gramm, um den Ver­dichter auf Herz und Nieren zu testen.

Diese Prozedur hat das Rig mit der in der allein­igen Ver­antwortung der MTU entstandenen Nieder­druck­turbine des Getriebe­fan (GTF) schon hinter sich. Die rund 100 Stunden umfassende Erprobung erfolgte auf dem Höhen­prüf­stand der Universität Stuttgart; dort testet die MTU traditionell ihre Turbinen. Auch hier prüfen die Inge­nieure, ob die aero­dynamischen Ver­bes­serungen greifen. „Bei unveränderten Abmes­sungen haben wir eine neue Aus­legung der Schaufeln vor­genommen und die in den Rand­bereichen der Turbine entstehenden aero­dynamischen Verluste weiter ver­ringert“, erklärt Dr. Irene Raab, Projekt­leiterin Turbinen-Rig 456. Nun läuft die detail­lierte Aus­wertung. Im nächsten Schritt steht dann die Erprobung des gesamten weiter­ent­wickel­ten Getrieb­efans an, die für das kommende Jahr geplant ist. An­schließend muss der noch spar­samere GTF die er­forderlichen Zu­las­sungs­pro­zeduren durch­laufen und dürfte in diesem Zusammen­hang auch wieder in München landen. Doch damit nicht genug: Ähnlich wie die Kollegen beim Verdichter haben auch die Ent­wickler in der Turbine mehr Inno­va­tionen eingebaut, als im aktuellen Pro­gramm umsetzbar sind. Sie könnten künftigen Trieb­werks­genera­tionen zu­gute­kommen.

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