Flugzeugbauer achten aufs Gewicht, wann immer sie können. Das Feilschen um jedes Gramm hat gute Gründe: Je leichter eine Maschine, desto weniger Sprit verbraucht sie, desto mehr Passagiere kann sie aufnehmen, desto besser ist ihre CO2-Bilanz. Triebwerkshersteller optimieren daher ständig ihre Designs; Rumpfteile werden immer häufiger aus teuren, karbonfaserverstärkten Kunststoffen gefertigt; bei der Inneneinrichtung kommen statt massiver Metalle zunehmend Faserverbundwerkstoffe zum Einsatz. Und am Ende packen Lackierer fast eine Tonne Farbe auf eine Airbus A380. Muss das sein?
„Absolut“, erklärt Maike Timm, Produktionsleiterin im Bereich Aircraft Painting Services bei Lufthansa Technik. „Ohne die schützende Farbschicht würden die Flugzeugteile – egal ob sie aus Metall oder Kunststoff gefertigt sind - innerhalb kürzester Zeit Schaden nehmen.“ Im ganz normalen Flugbetrieb sind die Oberflächen enormen Belastungen ausgesetzt: Eiskristalle, Staubpartikel, Asche und Sandkörner prasseln mit einer Geschwindigkeit von 1.000 Kilometern pro Stunde auf die Materialien ein. Dazu kommen UV-Strahlung und Temperaturschwankungen von minus 55 bis plus 100 Grad Celsius. Enteisungsmittel, Kerosin und Schmierölreste lassen Metalle schnell korrodieren und zerstören den Materialverbund von faserverstärkten Kunststoffen, wenn die Oberflächen nicht versiegelt sind. Die ersten Passagierflugzeuge flogen aus Kostengründen unlackiert – es herrschte Krieg in Europa. Doch die Aluminiumlegierungen wurden schnell matt und mussten häufig nachpoliert werden. Heute fliegt nicht einmal die „Tante Ju“ ohne schützende Farbschicht – auch wenn man ihr das auf den ersten Blick nicht ansieht. Die Außenhaut ist mit Metalliclack überzogen.
Schichtweise Schutz
Ohne Lack geht in der Luftfahrt nichts. Mit Farbe aus dem Baumarkt ist es allerdings nicht getan – Flugzeuglack muss extrem dünn, kratzfest, schmutzresistent und umweltfreundlich sein. „Dank neuer Entwicklungen können wir mittlerweile sehr ökonomisch arbeiten“, resümiert Timm. „Eine knappe Tonne Farbe für die Airbus A380 klingt zwar viel, verteilt sich aber auf fast 4.000 Quadratmeter Oberfläche. Die vier bis fünf Farbschichten, die aufgetragen werden müssen, sind insgesamt nur Bruchteile eines Millimeters dick.“
Passgenau Ein Mitarbeiter von Lufthansa Technik beim Abkleben des Fensters der D-AIRX, einer Airbus A321-131, die 2013 zum fünfzigjährigen Jubiläum der Lufthansa im Look der frühen 1950er Jahre lackiert wurde.
Passgenau Ein Mitarbeiter von Lufthansa Technik beim Abkleben des Fensters der D-AIRX, einer Airbus A321-131, die 2013 zum fünfzigjährigen Jubiläum der Lufthansa im Look der frühen 1950er Jahre lackiert wurde.
In solchen Schichtsystemen steckt jahrzehntelange Erfahrung. Im einfachsten Fall sind zwei verschiedene Komponenten nötig: Die gereinigten und geschliffenen Oberflächen versehen Lackierer mit einem Korrosionsschutz, dem Primer. Auf diesen kann der eigentliche Lack gespritzt werden – hier wiederum gibt es Ein-Schicht- und Zwei-Schicht-Systeme. Der Farbhersteller AkzoNobel hat ein Zwei-Schicht-System aus Basislack und Klarlack entwickelt. „Das Basecoat/Clearcoat-System hat verschiedene Vorteile“, erläutert Thomas Böttcher, Vertriebsleiter Flugzeuglacke bei AkzoNobel Aerospace Coatings. „Der Klarlack schützt vor UV-Strahlung und erhöht die Glanz- und Farbbeständigkeit. Außerdem sind die Oberflächen so glatt, dass das Flugzeug weniger schnell verschmutzt und durchschnittlich nur noch halb so oft gewaschen werden muss. Und die Lebenszeiten der Zwei-Schicht-Lackierungen sind mit sechs bis acht Jahren deutlich länger als die der meisten anderen Lackierungen, die im Schnitt nur fünf Jahre erreichen.“
„Ohne die schützende Farbschicht würden die Flugzeugteile – egal ob sie aus Metall oder Kunststoff gefertigt sind – innerhalb kürzester Zeit Schaden nehmen.“
Detailarbeit am Flügel Lackierarbeiten im Airbus Paint Shop in Toulouse.
Mit weiteren Zwischenschichten lassen sich zusätzliche Funktionen integrieren, beispielsweise eine selektive Entlackbarkeit. Diese entsteht durch eine dünne Trennschicht, die auf den Korrosionsschutz-Primer aufgebracht wird. Braucht das Flugzeug nach einigen Jahren einen neuen Anstrich, so lässt sich der alte Lack entlang der Trennschicht chemisch ablösen – der darunter liegende Korrosionsschutz bleibt erhalten. „Die Zeiten, die Entlackung und Lackierung in Anspruch nehmen, lassen sich so um zehn Prozent reduzieren“, betont Böttcher.