Wenn sich in der Wintersaison mal wieder eine Schlange mit Krankenwagen auf dem Rollfeld des Innsbrucker Flughafens Kranebitten bildet, so hat sich nicht etwa ein größeres Unglück ereignet, sondern es beginnt lediglich das Boarding für einen der wohl ungewöhnlichsten Liniendienste der Luftfahrt: Der sogenannte „Gipsbomber“ der Tyrol Air Ambulance (TAA) bringt mehrmals wöchentlich verunglückte Skiurlauber bequem, schnell und umfassend medizinisch betreut aus dem Alpenraum nach Hause. Vorwiegend liegen die Ziele dabei im Benelux-Raum, aber auch Skandinavien wird häufig angeflogen. Ganzjährig fliegen die Sammeltransporte zudem mit mehreren Zwischenstopps zur Aufnahme von Patienten von den Sonnenzielen rund um das Mittelmeer aus nach Mittel- und Nordeuropa.
Im Passagierverkehr, etwa bei der TAA-Muttergesellschaft Welcome Air, bietet die eingesetzte Turboprop-Maschine vom Typ Dornier 328 Platz für 31 Passagiere. Als Ambulanzflugzeug hängt ihr Fassungsvermögen vom jeweiligen Platzbedarf der Patienten an Bord ab. Die Bestuhlung, die vom Wartungsteam vor jedem Flug individuell angepasst wird, kann aus Krankenliegen (Stretcher) oder normalen Flugzeugsitzen mit Beinstützen (Leg rest) bestehen. Auch die Zusammensetzung der Crew und die medizinische Ausstattung an Bord wird an den jeweiligen Bedarf angepasst. Notfalls kann die Dornier sogar als fliegende Intensivstation mit sechs Betten eingesetzt werden.
Das Erfolgsrezept der TAA-Sammeltransporte seien höchste medizinische Standards und ein hohes Maß an Planungs-Expertise, erklärt TAA-Geschäftsführer Manfred Helldoppler: „Wir bieten den Versicherungen, die meist die Transportkosten tragen, ein einzigartiges und kostengünstiges Produkt an. Damit landen wir auch bei brancheninternen Ratings regelmäßig im Spitzenfeld.“
Tyrol Air AmbulanceInnerhalb weniger Stunden können die Kabinen der TAA-Flugzeuge in fliegende Intensivstationen umgewandelt werden. Zur Flotte gehören die Gulfstream 100, die Dornier Do328 mit Turbopropantrieb sowie die Cessna Citation Bravo mit Jet-Triebwerken von Pratt & Whitney Canada. Einsatzort der Flugzeuge sind häufig die Alpen, von wo verunglückte Urlauber in ihre nordeuropäischen Heimatländer ausgeflogen werden.
Startklar innerhalb von zwei Stunden
Das Leistungsspektrum der Tyrol Air Ambulance beschränkt sich jedoch nicht auf den „Gipsbomber“. Schon seit der Gründung im Jahr 1976 werden mit einer wachsenden Flotte aus speziell umgerüsteten Business-Jets Ambulanzflüge durchgeführt. Für Transporte von bis zu zwei Patienten, oftmals mit intensivmedizinischer Betreuung oder abseits der großen touristischen Ziele, setzt die TAA drei Gulfstream 100 und eine Cessna Citation Bravo ein. 365 Tage im Jahr und rund um die Uhr ist das Team der Medical Assistance für Patienten und Angehörige in Not erreichbar, verschafft sich zunächst ein umfassendes medizinisches Bild und koordiniert den Informationsaustausch zwischen Behandlern vor Ort, den Angehörigen und dem medizinischen Dienst des Versicherers. Bei grünem Licht für einen Rücktransport wird dieser innerhalb von zwei Stunden realisiert. So viel Zeit bleibt den TAA-Spezialisten am Boden dann, um Jet, Crew und medizinisches Team samt aller Überflug- und Landegenehmigungen sowie den dazugehörigen Ground Operations unter Dach und Fach zu bringen. Bei außergewöhnlichen Langstreckenzielen kann die Flugvorbereitung aufgrund der erforderlichen Genehmigungen auch einmal mehr Zeit erfordern.
Profis an Bord Zu den Crews von Tyrol Air Ambulance gehören nicht nur Piloten und Flugbegleiter, sondern auch medizinisches Fachpersonal.
Doch trotz der sorgfältigen Vorbereitung durch erfahrene Mediziner und Dispatcher ist, gerade bei Schwerverletzten und Patienten, die intensivmedizinisch betreut werden müssen, kaum einer dieser Flüge wirklich Routine: So kann es durchaus vorkommen, dass sich der Zustand eines Patienten bis zum Transport soweit verschlechtert, dass dieser vor Ort zunächst einmal stabilisiert werden muss. Nur erfahrene und mit dem jeweiligen Krankheitsbild vertraute Notfall-Spezialisten kommen als Ärzte mit an Bord, denn einmal in der Luft, müssen sie alleinverantwortlich zu jedem Zeitpunkt die richtige Entscheidung treffen können. Auch für die Cockpit-Crew kann der Krankentransport besondere Herausforderungen bereit halten, etwa wenn ein Patient mit Verdacht auf Luftröhrenverletzung auf geringer Höhe geflogen werden muss.
„Bei uns gleicht kaum eine Mission der anderen, selbst auf den vermeintlich routinemäßigen Sammelflügen“, beschreibt Geschäftsführer Helldoppler das besondere Anforderungsprofil seiner Airline. „Damit am Ende alles reibungslos abläuft, braucht es sehr viel Erfahrung und große Vielseitigkeit in unserem gesamten Team - am Boden genauso wie in der Luft.“ Die Arbeit sei außergewöhnlich abwechslungsreich und erfüllend, weshalb „uns so viele unserer rund 100 festen Mitarbeiter und das erfahrene medizinische Personal aus unserem mehr als 70 Mann starken Ärzte- und Pflegepool so langfristig begleiten“.
Nahezu hundertprozentige Einsatzfähigkeit
Einen wichtigen Beitrag im Hintergrund leistet das Technik- und Wartungsteam, das nicht nur gefragt ist, wenn es darum geht, aus Business-Jets und Regionalflugzeugen fliegende Intensivstationen zu machen. Auch beim Thema Maintenance gibt es besondere Anforderungen, so der Director Technical Operations der TAA, Johan Schot: „Auf den ersten Blick ist es für einen Operator unserer Größe sicherlich ungewöhnlich, dass wir fast alle Maintenance-Aufgaben am Flugzeug selbst durchführen. Wir sind jedoch auch keine normale Airline. Die Ausrüstung an Bord unterscheidet unsere Maschinen schon von herkömmlichen Regional- und Businessfliegern.“ Das Team arbeitet in kurzen Planungshorizonten und muss gleichzeitig eine nahezu hundertprozentige Einsatzfähigkeit der gesamten Flotte sicherstellen. „Hinzu kommt, dass unsere Jets ein Vielfaches der Flugstunden sammeln, die für diese Flugzeugmuster üblich sind.“
„Damit am Ende alles reibungslos abläuft, braucht es sehr viel Erfahrung und große Vielseitigkeit in unserem gesamten Team - am Boden genauso wie in der Luft.“
Diesen hohen Ansprüchen an Flexibilität und Servicetiefe muss auch die Triebwerkswartung und -instandhaltung genügen. Seit 15 Jahren lässt die TAA die Pratt & Whitney Canada-Triebwerke ihrer Dornier 328 und Cessna Citation Bravo über das Customer Service Centre Europe (CSC) instand halten. „Darüber haben wir Zugang zu einem sehr umfangreichen weltweiten OEM-Service-Netzwerk sowie zu kurzfristig verfügbaren Leihtriebwerken, unter anderem mit schnell einsatzbereiten mobilen Reparaturteams – im Grunde ähnlich wie bei uns“, fasst Schot die Vorteile der langjährigen Zusammenarbeit zusammen.